Falls Sie die Marktbewegungen vor dem Ferienwochenende nachdenklich gestimmt haben sollten, ist es Zeit, sich eine Auszeit zu nehmen. Ich möchte Ihnen eine kurze Geschichte erzählen: Ein Kunde ruft seinen Broker an, um 400 Aktien einer obskuren Techfirma namens Ultrasonics Precision zu erwerben.

Der neugierige Broker fragt, was so außergewöhnlich an Ultrasonics sei. Der Kunde erklärt daraufhin, dass er auf diese Frage keine Antwort habe. Es sei sein Friseur gewesen, der ihm angeraten habe, die Aktie zu kaufen. Zwei Wochen später ruft derselbe Investor erneut an. Er habe einen Fehler gemacht.

Sein Friseur habe ihm angeraten, Aktien des Unternehmens Ultrasonics Industries zu kaufen. Also ersucht der Kunde seinen Broker, dessen zuvor erworbene Precision-Papiere abzustoßen, um anstatt dessen die richtige Aktie zu erwerben.

Die Folgen rücksichtlosen Verhaltens unerfahrener Investoren

Nun, eine solche Geschichte würde gewiss auch in die Zeiten der 1980iger und 1990iger Jahre passen. Ebenso wie in unsere heutige Zeit (vielleicht handelt es sich im Fall von Ultrasonics Precision um eine heiße, neue Technologieaktie?).

Doch diese Geschichte hat sich in keiner der aufgezählten Dekaden abgespielt. In Wahrheit habe ich diese Anekdote einem Artikel mit dem Titel „Eine Warnung an Wall-Street-Amateure“ entnommen, der im Jahr 1961 im Harper’s Magazine veröffentlicht wurde.

In diesem Artikel geht der Autor davon aus, dass das rücksichtlose Verhalten unerfahrener Investoren den Aktienbullenmarkt über die Klippe stoßen werde. Abgesehen von einer etwas antiquierten Ausdrucksweise, könnte Barron’s die Daten und Zahlen an aktuelle Ereignisse anpassen, um diesen Artikel morgen erneut zu publizieren.

Ich lasse an dieser Stelle einige der wichtigsten Aussagen folgen, die aus dem Originalartikel hervorgehen:

Eine neue Generation von Spekulanten setzt ernsthaft agierende Investoren großen Gefahren aus. Sowohl das Handelsvolumen als auch der Dow Jones kletterten im Frühjahr 1961 auf Rekordniveaus, unter Umständen eine „Massenspekulationswelle auslösend, welche in den 1920iger Jahren unmöglich gewesen wäre“.

Ich möchte mir nicht vorstellen, was der Autor über Leute denken würde, die sich nun mittels ihrer Mobiltelefone in ihre Onlinedepots einloggen, um Aktien während deren Mittagszeit zu handeln.

Momentan gibt es ein zu hohes Angebot von neu an die Märkte strömenden Aktien samt Börsengängen, deren Firmen außergewöhnliche Namen tragen, und die in futuristischen Industrien aktiv sind.

Der Autor bezieht sich auf melodramatische Börsengänge von Firmen wie Datamation und ElectroSonic Laboratories sowie auf abscheuliche Kurzfristgewinne aus IPOs, die Beweis genug seien, dass die Märkte im Überschwang handelten.

Hört sich das für Sie bekannt an? Wir könnten aus heutiger Sicht denselben Fall aufmachen, da es sich bei über 90% aller Technologiefirmen im Silicon Valley um solche Unternehmen handelt.

Niemand schätzt Aktienanlagen mehr ausreichend. Ein„Kult um Wachstumsaktien“hat Investoren davon überzeugt, sich um Bewertungen nicht mehr zu scheren. „An den heutigen Märkten – unter Prämisse der auf sogenannte Wachstumsaktien fokussierten Aufmerksamkeit –  kaufen die Leute Aktien, wie der Autor fortfährt, welche keine Renditen abwerfen und die zu 50- oder 100-fachen Gewinnen gehandelt werden.

Dieser „Kult“ um Wachstumsaktien hat sich auch 50 Jahre später nicht in sein Gegenteil verkehrt. Durch Boom- und Bustzeiten hindurch waren Investoren stets dazu bereit, einen Aufschlag für Wachstumsunternehmen zu bezahlen, der ihren Vorstellungen von der Zukunft entsprach.

Hat irgendjemand Amazon in den vergangenen 20 Jahren fair bewertet? Was ich jedoch weiß, ist, dass die Amazon-Aktie seit ihrem Börsengang um rund 50.000% an Wert gewonnen hat.

Die Märkte werden manipuliert. Viel zu viele Aktiengewinnen unter „mysteriösen Umständen“ an Wert. Die Märkte könnten durch eine artifizielle Nachfrage angekurbelt werden. Jüngste SEC-Ermittlungen beweisen, dass es zu viele unehrliche Firmen und individuelle Investoren an der Wall Street gibt, die jederzeit dazu bereit sind, unbedarfte Investoren zu übervorteilen.

Selbstverständlich sind all diese unehrlichen Leute auch bis heute nicht verschwunden. Und neue Technologien wie der Hochfrequenzcomputerhandel geben den Leuten heutzutage sogar noch mehr Grund zur Sorge. Warum schert es uns also, was einige Finanzberichterstatter vor mehr als 50 Jahren zu den Märkten zum Besten gaben? Perspektive.

Kaum etwas, was sich heutzutage an den Märkten abspielt, ist neu oder einzigartig. Dieselben Hoffnungen und Ängste treiben Aktien auch im Jahr 2016, so wie dies auch in den Jahren 1961 oder 1901 der Fall gewesen ist.

Dieselben Töne verdunkeln auch heute die Einschätzungen von Investoren. Mit Ausnahme, dass Investoren diese Bedenken nun mittels eines Laptops anstelle von Magazinen und/oder Zeitungen, die sich am Zeitungskiosk erwerben lassen, serviert bekommen. 

Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen

Ihr

Greg Guenthner


Gastbeitrag für CK*Wirtschaftsfacts / © 2016The Daily Reckoning / Agora Publishing

Greg Guenthner, CMT, ist Chefherausgeber von The Rude Awakening. Greg ist zudem Mitglied der Market Technicians Association und zertifizierter Chartered Market Technician.

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